Veröffentlichung: »Nichts konnte schlimmer sein als Auschwitz!«

Scrase/Mieder: Nichts konnte schlimmer sein als Auschwitz! (Übersetzung: Michael Lehmann)

David Scrase, Wolfgang Mieder (Hg.), »Nichts konnte schlimmer sein als Auschwitz!« (The Holocaust. Personal Accounts, USA 2001), a. d. Engl. von Michael Lehmann; darin persönliche Überlebensberichte der AutorInnen Aranka Siegal, Yehudi Lindeman, Clinton Gardner, Marion Pritchard und andere. Donat Verlag 2016.
Inhalt

Ein Lieblingsprojekt von David Scrase und mir ist eine Sammlung sehr persönlicher Berichte von Holocaust-Überlebenden. In den USA von großem Interesse begleitet, liegt die Sammlung von mir übersetzt nun auch auf Deutsch vor: »Nichts konnte schlimmer sein als Auschwitz!«. Den englischen Literaturwissenschaftler David Scrase kannte ich schon seit Jahren, seit meiner Übersetzung seiner großen Wilhelm-Lehmann-Biographie. Mitt­ler­wei­le war er mehrmals bei mir zu Hause in Deutschland und ist ein guter Freund geworden.

Das Buch enthält im ersten Teil 14 au­then­ti­sche Berichte von Überlebenden der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ju­den­ver­fol­gung. Sie beschreiben ihre unterschiedlichsten Emigrationswege über mehrere Länder bis zuletzt in die USA. Dem werden im zweiten Teil Berichte von jungen Amerikanern gegenübergestellt, die bei der Befreiung von Konzentrationslagern wie Buchenwald und Dachau zugegen waren. Einer dieser Befreier, Stephan Lewy, erlebte am eigenen Leib beide Seiten, die des Flüchtlings und des später als Befreier Zurückkehrenden. Er äußert dabei durchaus provozierend sein Verständnis für das selbst­jus­ti­tiel­le Vorgehen der Befreier von Dachau.

Zum Abschluss berichtet die bekannte Psychoanalytikerin Marion Pritchard eindrucksvoll über ihre Arbeit in den Auffanglagern für sogenannte Displaced Persons.

David Scrase 2009Jedem Bericht gehen ein paar Sätze zur historischen Einordnung durch David Scrase voraus. David lehrte an der Universität von Vermont/USA bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2006 Germanistik, war aber darüber hinaus Gründungsdirektor des zu Ehren von Raul Hilberg eingerichteten Center for Holocaust Studies. Als solcher gab David eine ganze Buchreihe zum Thema Holocaust heraus (zum Teil mit dem deutschstämmigen Freund und Kollegen Wolfgang Mieder, dem US-amerikanischen Sprichwörterpapst), wovon das vorliegende Manuskript den zentralen Band darstellt.

Das Buch erhebt als Ganzes keinen li­tera­ri­schen Anspruch, obwohl einzelne Berichte durchaus hervorstechen, da manche Autoren später professionell schrieben. So liefert die spätere Schriftstellerin Aranka Siegal mit großer erzählerischer Qualität einen minutiösen, erschüttenden Bericht vom Abtransport ihrer ganzen Familie aus Ungarn. Oder der spätere Publizist Clinton Gardner beschreibt mit Einfühlung und zugleich Sarkasmus sein Erleben der Befreiung von Buchenwald.

Letzteres, sarkastisch über den Horror Buchenwalds zu berichten, das durften 1946 naturgemäß nur die Befreier selber, und sie beherrschten es, jedenfalls wenn sie von der angelsächsischen Art Humor durchdrungen waren wie Gardner.

Von den 19 berichtenden Zeitzeugen leben mittlerweile einige nicht mehr. Umso dringlicher war eine rechtzeitige Veröffentlichung in Deutschland, bevor die letzten, die von jener Zeit noch lebensnah erzählen können, nicht mehr unter uns sind.


Clinton Gardner spricht über Buchenwald und Auschwitz (Minute 16:18 bis 19:52). Video vom 12.11.2012.


Die Psychoanalytikerin Dr. Marion Pritchard im Interview der Shoah Foundation.

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Michael Lehmann ist Übersetzer, spezialisiert auf Neufassungen herausragender deutscher und englischer Literatur des 17. bis 20. Jahrhunderts. In modernem Deutsch, ungekürzt, für neue Lesegenerationen.