Jean Paul: Flegeljahre, Band 1 (Neufassung)

»Realismus ist der Sancho Pansa des Idealismus«
Flegeljahre – Vult zu Walt

Jean Paul: Flegeljahre, Band 1
Neufassung, Januar 2013

Am 21. März 2013 feiert die literarische Welt den Schriftsteller Jean Paul anlässlich seines 250. Geburtstags. Einer der größten Sprachkünstler, Poeten und Satiriker unter den deutschsprachigen Romanciers soll so vor dem Vergessen bewahrt werden. Denn – wirklich gelesen wird er derzeit kaum noch. Um dies womöglich zu ändern, hat der Übersetzer Michael Lehmann den ersten Band des viel gerühmten Romanfragments Flegeljahre aus der heute schwer zu verstehenden Jean-Paul-Sprache des ausgehenden 18. Jahrhunderts in gemäßigt modernes Deutsch übertragen, ohne den einzigartigen Geist und Zauber Jean Pauls verlorengehen zu lassen.

Der 1. Band, Das Van der Kabel’sche Testament, schildert eine vertrackte Erbschaft, die der weltfremde junge Dichter Walt mit Hilfe seines Zwillingsbruders, des Musikers und Lebenskünstlers Vult, antreten will. Die Bedingungen haben es jedoch in sich: Walt soll die verschiedenen beruflichen Stationen seines Erbonkels nachleben. Und es gibt noch sieben Nebenbuhler, die ihnen das Erbe streitig machen. Die kuriosesten Geschehnisse nehmen ihren Lauf. Zugleich schreiben die Brüder gemeinsam an einem Roman, so dass wir nebenbei auch dessen schwierige Geburt miterleben. Ständig diskutieren sie ihren Schreibprozess, und zwar meist in höchst komischer Verdrehung.

Vergleich von Original (1804)
und Neufassung (2013)

Jean Paul: »Sie drangen bei dem Magistrate auf die vom sel. Kabel insinuierte Charte. Sofort wurden Charte und Testament herumgezeigt, damit sie das darauf gedruckte Stadt-Sekret besähen – die auf die Charte geschriebene Insinuations-Registratur vorgelesen und ihnen dadurch bekanntgemacht, dass der Selige die Charte dem Magistrate wirklich insinuiert und scrinio rei publicae anvertraut.«

Michael Lehmann: »Sie drangen beim Magistrat auf die vom seligen Kabel eingereichte Urkunde. Sofort wurden Urkunde und Testament herumgezeigt, damit sie sich das darauf gedruckte Stadtsiegel ansähen, der auf die Urkunde geschriebene Einreichungsvermerk vorgelesen und ihnen dadurch bekanntgemacht, dass der Selige die Urkunde dem Magistrat wirklich eingereicht und dem behördlichen Aktenschrank anvertraut habe.«

Jean Paul: »Der Verfasser wird die Pflicht beobachten, beide Eutrope zu verschmelzen zu einem Livius und diesen noch dadurch auszuglätten, dass er ihm Patavinitäten ausstreicht und etwas Glanzstil an.«

Michael Lehmann: »Der Verfasser wird es als seine Pflicht betrachten, beider Ausdrucksweisen zu der eines Titus Livius zu verschmelzen und noch dadurch zu glätten, dass er ihm die für einen Paduaner typischen Eigenheiten aus- und mit etwas glanzvollem Stil anstreicht.«